Nachhaltigkeit in Dubai?

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Nachhaltigkeit in Dubai?

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Veröffentlicht von Nadine Exß, Ute Maybachl in Nachhaltigkeit · 27 März 2023
Tags: #nachhaltigkeit#dubai#architekturdubai
Nachhaltigkeit in Dubai - gibt´s denn so etwas überhaupt?
Das hat sich auch unsere Nadine gefragt, bevor sie sich zusammen mit einer Gruppe von Studienkolleg*innen der Fakultät für Architektur und Raumplanung von der TU Wien in eine Metropole aufgemacht hat, die von Superlativen geprägt ist.  

Besonderes Augenmerk der Studienreise galt der Weltausstellung EXPO 2020 Dubai (https://www.expo2020dubai.com/de), die aufgrund der Corona-Pandemie erst von 1. Oktober 2021 bis 31. März 2022 stattfand. Genauer gesagt, ging es vor allem um die Nachnutzung und Wiederverwendung der eigens für die Expo errichteten Gebäude und des gesamten Expo-Areals.

Nach ihrer Rückkehr haben wir Nadine zu ihrer Reise und ihren prägendsten Eindrücken befragt und dabei spannende Einblicke erhalten.

Nadine, erzähl mal: Was war besonders einprägsam für dich?
Dubai fühlt sich nicht an wie eine Stadt, sondern vielmehr so, als wäre jemand mit dem Salzstreuer durchgegangen und hätte ein paar Hochhäuser ausgestreut.
Überraschend war, dass die meisten Gebäude in den Städten, die wir besucht haben, nicht älter als 50 bis 60 Jahre alt sind. In den Großstädten ist alles sehr amerikanisch - vor allem das Essen, die Art und Größe der Shops (z.B. sind die Einkaufscenter riesig).

In puncto Nachhaltigkeit haben wir viele Negativbeispiele aufgezeigt bekommen, aber durchaus auch ein paar Beispiele, die zeigen, wie man es besser machen kann. Wie etwa der Al Jahili Fort in Al-Ain, der nachgebaut und als Museum umgebaut wurde. Es wurden dafür wirklich die historischen Baukonstruktionen und Lehm als Bausubstanz verwendet.


Abbildung 1: Al Jahili Fort


Abbildung 2: Al Jahili Fort

Ansonsten werden viele der historischen Gebäude, die ursprünglich aus Lehm gebaut waren, mit anderen Baumaterialien, meist Betonmischungen, nachgebaut und nur mit Lehmputz versehen. Dieser blättert aber nach kürzester Zeit wieder ab, weil er auf den anderen Materialien nicht gut hält.

Ein weiteres besonderes architektonisches Beispiel, das wir besucht haben und bei dem mehr auf Nachhaltigkeit geachtet wurde, war der Louvre Abu Dhabi auf der Insel Saadiyat, ein Kunstmuseum, das in enger Zusammenarbeit mit dem Louvre in Paris steht. Das Grundgerüst des Gebäudekomplexes ist zwar aus Stahlbeton, die Wände sind aber aus Stein. Es wurde direkt ins Wasser gebaut und hat als Dach eine flache, mehrschichtige und netzartige Kuppel, die nur sehr wenig Licht durchlässt. Durch diese Kuppelkonstruktion und das kühlende Wasser darunter wird das Gebäude natürlich gekühlt und es wird weniger Strom für die Klimaanlage benötigt. Diese Bauweise wurde inspiriert durch die alten Gebäude, die vor allem in Dubai und Umgebung vornehmlich aus Lehm oder Palmblätter bestanden haben. Die Palmblätter ließen nur so viel Licht durch, dass es hell genug war, der Raum sich aber nicht zu sehr aufheizt.
 

Abbildung 3: Louvre Abu Dhabi


Abbildung 4: Netzartige Dachkonstruktion des Louvre Abu Dhabi

Meine generellen Eindrücke von Dubai: die Stadt wirkt ein bisschen leer, wir haben recht wenige Einheimische gesehen. Das, was wir als klassisches Stadtleben ansehen würden, haben wir in Dubai nicht wirklich wahrgenommen. Aber es ist natürlich auch eine andere Kultur, weil man zu Mittag nicht einfach einen gemütlichen Sonnenspaziergang machen kann, weil es einfach zu heiß ist. Alles konzentriert sich aufgrund der Hitze auf die Malls, die neben Entertainment und Shopping auch mit extremen Dingen ausgestattet sind, wie z.B. Eislaufplätzen, Skihallen, Vergnügungsparks usw.

Wie sieht es generell mit Nachhaltigkeit im arabischen Raum aus? Gibt es hier eine Entwicklung in eine nachhaltigere Richtung zu erkennen?
Das Thema Nachhaltigkeit kommt auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten immer mehr auf, weil der Rest der Welt hier vorreitet, aber es wird anders gepusht als bei uns. Die Expo hat hier sicher den Anstoß in eine nachhaltigere Richtung gegeben.

Bei der Expo selbst wurden einige Pavillons so konzipiert und gebaut, dass man sie ganz leicht wieder abbauen und anderswo hinstellen konnte, ohne den Wert und die Materialien zu verlieren. Auch das Expo-Gelände selbst ist generell ein Vorreiter für das Thema Nachhaltigkeit in Dubai, da es so konzipiert wurde, dass es danach unter dem Namen „Expo City Dubai“ (https://www.expocitydubai.com/) als neuer Lebensraum genutzt wird. Alle späteren Bewohner*innen dieses Lebensraums haben im Vorfeld ein Ticket für die Expo erhalten, um sich ihren späteren Wohnraum ansehen zu können. Die Expo ist meiner Ansicht nach ein gutes Beispiel dafür, wie versucht wird, in Dubai nachhaltiger zu werden, ohne dabei die eigene Kultur zu verlieren.

Wenig nachhaltig an der Expo war meiner Meinung nach, dass Unmengen an Flächen zubetoniert wurden, um sie als Parkflächen zu nutzen. Problematisch an dieser Flächenbetonierung ist vor allem, dass, wenn es einmal regnet, dann heftig und das Wasser dann nicht natürlich im Boden versickern kann. Ein Abwassersystem wie bei uns ist nämlich nicht vorhanden. Die Parkflächen werden aber großteils wieder abgebaut.
Man merkt schon, dass sich die Menschen langsam mehr in Richtung Nachhaltigkeit bewegen, allerdings langsamer als bei uns, weil Öl natürlich nach wie vor ihre Haupteinnahmequelle ist. Die anderen Städte sind hier meiner Einschätzung nach noch ein bisschen weiter als Dubai.

Ein schönes Beispiel für den Versuch eines nachhaltigen Stadtteils ist „Masdar City“ im Emirat Abu Dhabi (https://masdarcity.ae/): das Stadtbauprojekt (auch als „Ökostadt der Superlative“ bezeichnet) soll komplett nachhaltig ausgerichtet sein und vollständig durch erneuerbare Energiequellen versorgt werden. Auch soll hier nachhaltigerer Verkehr eingesetzt werden, wie etwa automatisch fahrende Autos. Momentan ist erst ein kleiner Teil von Masdar City fertiggestellt. Dort, wo später der Rest des Stadtteils entstehen wird, sind momentan verschiedene Projekte aufgebaut, die testen sollen, welche alternative Energiequellen funktionieren könnten.


Abbildung 5: Masdar City - 2 Gebäude nebeneinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten


Abbildung 6: Masdar City


Abbildung 7: Besondere Gebäudeform in Masdar City

„Arabisches Sonnenland“ - wird diese Sonnenenergie deiner Meinung nach ausreichend genutzt oder liegt der Fokus weiterhin auf Erdölförderung?
Der größte Teil ist nach wie vor auf Erdöl ausgerichtet. Solarenergie wird schon auch genutzt wie etwa in Masdar City oder bei Teilen des Expo-Geländes. Klassische Sonnenpaneele sind aber schwierig, da diese aufgrund des Sandes täglich gewartet werden müssten und auch viel schneller kaputt gehen würden als bei uns, weil sich so viel Sand auf ihnen ablagert. Im Zuge des Baus von Masdar City werden aber unterschiedliche neue Alternativen zur Stromerzeugung getestet, wie z.B. Windräder oder ein System mit Spiegeln, durch welche die Sonnenstrahlen in einen Turm geleitet und dort erst in Energie umgewandelt werden, um dem Sand vorzubeugen. Es gibt hier meiner Ansicht nach noch viel Spielraum nach oben, aber es steigt zumindest die Bereitschaft (besonders durch die Expo angestoßen) auch im arabischen Raum, nachhaltigere Methoden zur Energiegewinnung zu entwickeln und einzusetzen.

Wie sieht es mit der Kühlungsthematik aus? Gibt es hier Trends in Richtung Nachhaltigkeit?
Viele Häuser sind nicht ordentlich gedämmt, sondern werden einfach mit Hilfe einer Klimaanlage runtergekühlt. Auch die Schalldämmung ist generell eher schlecht. Die meisten Hochhäuser bestehen hauptsächlich aus Beton und vielen Glasflächen, was angesichts der extremen Sonneneinstrahlung in Bezug auf die Kühlungsthematik nicht optimal ist. Der Strom für die Kühlung wird auch nach wie vor hauptsächlich aus Erdöl gewonnen.

Konkret auf die EXPO 2020 bezogen:
Die EXPO 2020 in Dubai (https://www.expo2020dubai.com/de) hat ca. 7 Mrd. Dollar gekostet, Österreich hat für die Teilnahme an der Weltausstellung fast 18 Millionen Euro in seinen Länder-Auftritt gesteckt. Es wurden insgesamt mehr als 190 Länderpavillons errichtet. Die Expo, die unter dem Motto „Connecting Minds, Creating the Future“ stand, wurde in die drei Fokusthemen Sustainability, Mobility und Opportunity (dt. Nachhaltigkeit, Mobilität und Chancen) eingeteilt, in welche auch die Pavillons gegliedert wurden.

Es wurden mehr als 190 Länderpavillons errichtet. Fast jedes Land hat einen eigenen großen Pavillon errichtet. Für die Länder, die weniger investieren wollten, haben die VAE kleine vorgefertigte Pavillons zur Verfügung gestellt.

Der Österreich-Pavillon war inspiriert von den historischen Windtürmen und den wärmeregulierenden Eigenschaften der arabischen Lehmarchitektur. Er sollte eigentlich komplett aus Lehm errichtet werden, was aber aufgrund der geplanten Form und Art nicht möglich war. So wurde er letztendlich als Betonbau mit Lehmputz darüber errichtet. Dadurch ging natürlich der ursprüngliche nachhaltige Gedanke etwas verloren. Der Österreich-Pavillon wurde mittlerweile wieder abgebaut.


Abbildung 8: Expo City Dubai

Wie werden die für die Expo errichteten Gebäude aktuell genutzt? Was ist in nächster Zukunft auf dem Gelände geplant?
Nur wenige der errichteten Expo-Gebäude wurden ganz abgerissen. Viele der Länder-Pavillons wurden abgebaut und in dem Land, von dem sie errichtet wurden, wieder aufgestellt und anderwärtig genutzt. Etwa 80 Prozent der errichteten Infrastruktur soll weiterverwendet und als neuer Stadtteil (die „Expo City Dubai“, https://www.expocitydubai.com) genutzt werden.
Momentan erfolgt noch der Umbau der Expo auf den neuen Stadtteil, die Fertigstellung ist aber bereits für dieses Jahr geplant. Es wird hier vor allem Wohnraum geschaffen. Dabei werden viele verschiedene Überschattungsvarianten verwendet, sodass die Fassaden nicht aus dem für uns typischen Fenster-Wand-Fenster-Wand-Muster bestehen, sondern es wird vielmehr versucht, die Fenster mit etwas abzudecken, um nicht die direkte Sonneneinstrahlung in den Raum zu bekommen. Auch die Zwischengänge sind mit unterschiedlichen Beschattungssystemen ausgestattet. Hier erfolgte eine Anlehnung an die natürlichen, früher genutzten Materialien: z.B. eine Inspiration durch die Palmblätter, die früher für die Wohnhäuser verwendet wurden. Dadurch wird eine gezielte Lichtstreuung möglich, denn das Sonnenlicht kommt nur durch ein paar Löcher durch. Das sieht von außen sehr interessant und lustig aus, man hat aber innen nicht das Gefühl, eingesperrt zu sein.


Abbildung 9: Expo City Dubai



Abbildung 10+11: Expo City Dubai - unterschiedliche Fassadensysteme zur Beschattung



Abbildung 12+13: Expo City Dubai - Unterschiedliche Beschattung von öffentlichen Plätzen

Zu den unterschiedlichen Gebäudearten der Expo: sehr vieles ist aus Beton, aber auch andere Materialen wurden eingesetzt; z.B. Steinplatten, Holz, Lehm. Besonders Lehm ist ein praktisches Baumaterial und eine gute Speichermasse, da er tagsüber die Sonne aufnimmt und speichert und dann in der Nacht die Wärme wieder rausgibt. Nachdem die Länder ihre Gebäude meist selbst geplant und hergestellt haben, hängt die Gebäudeart natürlich auch davon ab, eine wie große Rolle Nachhaltigkeit in dem jeweiligen Land selbst spielt.

Auf dem Expo-Gelände ist mittig ein Bazar angelegt, der zukünftig als Marktplatz dienen soll und von diesem ausstrahlend die anderen Bereiche verlaufen. Weiters wurde eine Metrostation angelegt, was sehr besonders ist, da es in Dubai nur eine Metro gibt, der Rest der Stadt ist momentan noch auf Individualverkehr und Busse ausgerichtet.


Abbildung 14: Expo City Dubai - Fassade aus Holz
Wenn es nach Plan geht, kann die Expo-City bereits in diesem Jahr fertiggestellt und von den Bewohnern bezogen werden. Was es in dem neuen Stadtteil alles geben wird, können Sie hier nachlesen: https://www.dubai.de/expo-2020-in-dubai/

Was nimmst du aus der Studienreise insbesondere mit?
Stahlbeton als Baumaterial ist meiner Meinung nicht optimal, weil es als Baumasse sehr wenig hergibt und immer noch zusätzliche Materialien erfordert, etwa für die Dämmung. Es macht durchaus Sinn, auch mehr über andere Materialien und ihre Vorzüge nachzudenken und diese auch einzusetzen.
Ein gutes Beispiel etwa, von dem einer unserer Reiseleiter erzählt hat, ist ein 5-stöckiges Hochhaus, das aus Holz- und Lehmbau errichtet wird.

Das Wichtigste ist, sich mit dem Material, mit dem man etwas bauen möchte, auseinanderzusetzen und zu schauen, was man damit machen kann, was seine Vorteile sind und wie man es am besten einsetzt. Und dann auch nach neuen Varianten suchen, die wir vielleicht noch nicht entdeckt haben bzw. aktuell verwenden.
Das macht für mich die Notwendigkeit deutlich, sich immer mit der Beschaffenheit und den Besonderheiten der unterschiedlichen Baumaterialien auseinandersetzen, bevor man in die Detailplanung geht. Denn natürlich kann beispielsweise Lehm nicht alles, was Beton kann und Beton hat wiederum Nachteile gegenüber Lehm.
Auch in Österreich wird viel mit Lehm errichtet, weil Lehmziegeln eingesetzt werden (z.B. in vielen alten Bauernhäusern).
Es ist natürlich sehr schwierig in den Vereinten Arabischen Emiraten, weil sie so gut wie keine natürlichen Ressourcen haben. Früher war dies besonders herausfordernd: die Menschen mussten z.B. den Lehm über viele Kilometer durch die Wüste transportieren und es sind auch einige Geisterstädte entstanden, da den Menschen mitten im Bau das Grundwasser ausging und sie weiterziehen mussten.

Jetzt leben die Menschen „in einer anderen Epoche“ und haben von allem zu viel und kaum ein Gefühl für Ressourcenknappheit. Die Menschen gehen auch ganz anders mit ihren Ressourcen um als bei uns. Trinkwasser zum Beispiel ist - was mich sehr überrascht hat - sehr billig und wurde auch an jeder Ecke ausgeteilt, obwohl es bis vor kurzen eine Ressource war, die kaum vorhanden war. Mittlerweile gibt es Fabriken, in denen Meerwasser in Trinkwasser umgewandelt wird. Die Menschen leben in Überfluss und haben Systeme gefunden, wie sie sich die Dinge in Massen bereitstellen können und leben auch so, als würden die Ressourcen niemals ausgehen können. Die Menschen leben meiner Einschätzung nach also sehr verschwenderisch. Es wird nach wie vor vor allem Plastik als Verpackungsmaterial verwendet, aber sie trennen und recyclen den Müll.
Dort, wo bei uns schon ein Gefühl für Knappheit und Mangel entstanden ist und wir uns mehr Gedanken über die Umwelt und unsere Ressourcen machen, leben die Menschen in den VAE noch eher mit dem Mindset: Natur schön und gut, aber 1. gibt es kaum Natur und 2. haben sie eben alles im Überfluss.

Wir danken Nadine für die spannenden Einblicke in ihre Studienreise und sind gespannt, ob und wie sich die nachhaltigen Ansätze der Vereinten Arabischen Emiraten und Dubai im Speziellen weiter entwickeln.

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