Taxonomie

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Taxonomie

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Veröffentlicht von Christian Ehrenreich, Ute Maybachl in Unternehmensausrichtung · 28 November 2022
Taxonomie-Verordnung der EU

In unserem September-BLOG-Beitrag haben wir den Versuch unternommen, den Themenkreis ESG fernab vom „Fachchinesisch“ zu beschreiben – im Sinne von „es geht uns alle an, also versuchen wir es leicht verständlich zu schreiben“.
 
In diesem BLOG versuchen wir wieder, ein sehr komplexes Thema auf seinen Kern herunterzubrechen und so einfach wie möglich darzustellen.
 
Warum eigentlich Taxonomie?
Taxonomie in dem von der Immobilienbranche verwendeten Kontext ist eine Folgeerscheinung des großen Themenkreises Nachhaltigkeit.
 
War es vor wenigen Jahren im Bereich der Immobilienentwickler*innen und Bauträger*innen noch ein nahezu belächeltes Randthema, das zwar dem kurzfristigen und im absoluten Mittelpunkt stehenden Gewinnmaximierungsgedanken nicht im Weg stand, aber ansonsten nur dann Beachtung fand und umgesetzt wurde, wenn einzelne Nachhaltigkeitsaktivitäten keine Zusatzkosten auslösten. In den letzten Jahren wurde der Themenkreis Nachhaltigkeit immer wichtiger und mittlerweile ist es in vielen Bereichen DAS zentrale Thema der Bau- und Immobilienbranche.

Und warum jetzt Taxonomie? Nun ja, die Taxonomie ist nichts anderes als DAS Werkzeug, um nachhaltige und umweltfreundliche Wirtschaftstätigkeiten innerhalb der EU greifbar und messbar zu machen. Damit ist es auch das mögliche Werkzeug, um den an sich in unserer heutigen Welt so unterschiedlich verwendeten Begriff „Nachhaltigkeit“ zu klassifizieren und objektivieren.

Liest man nach, wie Taxonomie definiert wird, findet man z. B.:
Eine Taxonomie ist ein einheitliches Verfahren, Modell bzw. Klassifikationsschema, mit dem Objekte nach bestimmten Kriterien klassifiziert, das heißt in Klassen – im griechischen „táxeis“ – eingeordnet werden[i].

Die EU-Taxonomie ist demnach ein Klassifizierungssystem für die gesamte Wirtschaft und soll nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten und Projekte sicherstellen. Die Logik dahinter: Unternehmen sollen vergleichbar sein und nach ihren Aktivitäten und ihrem Beitrag zur Nachhaltigkeit bewertet werden können. Sie können dadurch für einen Investor bzw. eine Bank transparenter hinsichtlich ihrer Zukunftssicherheit werden.

Die EU-Taxonomie-Verordnung enthält Kriterien zur Bestimmung der Nachhaltigkeit von Investitionen. Durch die Förderung von Investitionen in grüne und nachhaltige Projekte soll sie einen wesentlichen Beitrag zum EU-Green Deal leisten. Ziel ist es, damit eine klimaneutrale EU bis 2050 zu erreichen.

 

Und wie geht das?
Im Fokus der Beurteilung eines Projektes hinsichtlich der Taxonomie ist eines wichtig festzuhalten: bei der Taxonomie geht es nicht um die Frage „bin ich besser oder bin ich schlechter?“ oder – würde man es im Schulnoten-System denken – „habe ich ein „Gut“ oder noch gerade ein „Genügend““? Bei der Taxonomie geht es vielmehr um die Frage „entspricht ein Projekt, oder entspricht es nicht?“, im Fachjargon heißt es dann „das Projekt ist „taxonomiekonform“ oder eben das Projekt ist „nicht taxonomiekonform““.

Mit dieser Schlussfolgerung ist viel ausgesagt, denn taxonomiekonforme Projekte genießen in der Systematik des EU-Green Deals einen grundlegenden Vorteil: sie sind per Definition solche Projekte, die der Finanzwirtschaft willkommen sind. Anders ausgedrückt - ein nicht taxonomiekonformes Projekt soll von der europäischen Finanzwirtschaft nicht mehr bzw. nur mit schlechteren Auflagen finanziert werden. Taxonomiekonforme Projekte wiederum heben sich positiv von jenen der Mitbewerber ab und profitieren von höheren Investitionen.



Werfen wir einen Blick in die zugrunde liegende EU-Verordnung, die mit Juli 2020 in Kraft getreten ist, und die darin festgelegten Kriterien, auf wen überhaupt Taxonomie-Regeln anzuwenden sind. Es wird schnell klar, dass das Thema Taxonomie in einen größeren Kontext eingebettet ist. Im Bereich der Mindestanforderungen sind Grundsätze der OECD, der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie der Leitprinzipien der IAO – und damit im weitesten Sinn der internationalen Menschenrechtskonvention – relevant.

Die EU-Taxonomie-Verordnung definiert gemäß Ziffer 23 sechs Umweltziele als wichtigste Grundlage der Nachhaltigkeits-Einstufung:
1.    Klimaschutz
2.    Anpassung an den Klimawandel
3.    Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
4.    Übergang zur Kreislaufwirtschaft
5.    Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
6.    Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Legen wir den Fokus wieder auf Immobilienprojekte, wird bei einem Blick auf die sechs Umweltziele klar, dass der Entwicklung, Planung, Umsetzung und auch dem Betrieb von Gebäuden künftig Regeln zu folgen haben, die in der Vergangenheit oftmals ignoriert worden sind.

Hierzu ein Beispiel: In der Vergangenheit war es relativ einfach zu entscheiden, ob ein Grundstück bebaut wird oder nicht. Waren die Faktoren im Flächenwidmungs- bzw. Bebauungsplan gegeben und das Marktumfeld vielversprechend, wurde gebaut. Heute genügt das nicht mehr: ist auf einem derart vielversprechenden Bauland ein Ökosystem vorhanden, das nach den Taxonomie-Regelungen zu erhalten ist, kann eine taxonomiekonforme Bebauung nicht erfolgen - das Projekt hat im Sinne der Grundgedanken der Transformation der Bau- und Immobilienbranche zur Nachhaltigkeit zu unterbleiben.

Eine wirtschaftliche Tätigkeit muss einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele leisten und den anderen fünf nicht signifikant schaden.

Einmal Taxonomiekonformität nachweisen – und das war‘s?
Die Antwort ist schlicht – Nein. Ist es z. B. bei der klassischen Baugenehmigung so, dass einmal genehmigt der Status Quo der Aufrechterhaltung der sicherheitsrelevanten Umstände ewig genutzt werden kann – so ist es bei der Taxonomie anders.

Im Gebäudezustand „Bestand“ ist die Taxonomiekonformität laufend nachzuweisen, was letztlich dem Qualitätssicherungsgedanken Vorschub leistet.

Conclusio und Ausblick in die Zukunft


Dynamik
Die EU-Taxonomie ist eine junge Materie. Neben der Tatsache, dass noch nicht alle zu regelnden Bereiche formal beschrieben und die dazu gehörenden Verordnungen abgestimmt bzw. veröffentlicht sind, ist ein Punkt für die praktische Anwendung wesentlich:
für die Erfüllung des Umweltziels 1, des Klimaschutzes, bei dem der wesentliche Beitrag angestrebt wird („Übererfüllung“) gilt heute, dass die nachzuweisenden Werte mindestens 10 % unter den gesetzlichen Anforderungen liegen müssen.

Dieser
Mindestunterschreitungswert sollte nicht automatisch als fixer Wert angesehen werden. Je größer die Unterschreitung, desto langfristig erfolgreicher und konkurrenzfähiger wird das Objekt werden. Warum? Neben dem allgemeinen Gedanken der Schaffung eines Wettbewerbsvorteils kann durchaus erwartet werden, dass künftig die Qualitätsanforderungen innerhalb der Taxonomie-Regelungen hinauf gesetzt werden und man somit bereits in der Gegenwart ein auch zukünftig taxonomiekonformes und damit konkurrenzfähiges Produkt entwickelt, plant und baut.

CO2-Neutralität eines Gebäudes bis 2050 - ist das über die Taxonomiekonformität sichergestellt?
Nein – nicht per se. Die Taxonomiekonformität sagt nicht automatisch aus, dass mit einem taxonomiekonformen Gebäude automatisch eine CO2 Neutralität bis 2050 erreicht wird. Die Aussage der Taxonomiekonformität stellt quasi ein Qualitätssiegel für das derzeitige Marktumfeld dar.

Zertifizierung und Taxonomie? Doppelter Aufwand?
Die Verschränkung von Zertifizierungsprozessen und dem Nachweis der Taxonomiekonformität ist im Gange. So wird z. B. derzeit das DGNB-Zertifizierungssystem auf die Taxonomie-Systematik abgestimmt – dies mit dem Ziel, dass im Rahmen des Zertifizierungsprozesses automatisch die sich im Prüfverfahren der Taxonomiekonformität ergebenden Fragen und Aufgabenstellungen mitbeantwortet bzw. mitbearbeitet werden.

Hausverstand – ja, und am besten mehr davon
Wenn wir am Beginn der Entstehung eines Gebäudes an alte und durchaus bewährte bzw. logische Grundsätze denken würden, könnten heute komplizierte Regelungen etwas entspannter gesehen werden. Ein kurzer geschichtlicher Rückblick - Hans Carl von Carlowitz, Oberberghauptmann am kursächsischen Hof in Freiberg (Sachsen), forderte 1713 in seinem Werk "Sylvicultura oeconomica", dass immer nur so viel Holz geschlagen werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung durch Säen und Pflanzen wieder nachwachsen könne. Eine vor mehr als 300 Jahren verfasste einfache – und auch heute noch gültige – Definition von Nachhaltigkeit. Berücksichtigen wir das bei unseren Projekten, wird das Thema Taxonomie recht schnell zu einem „einfachen Unterfangen“.

Transferiert in unser Heute könnten auch die vier in der jüngeren Vergangenheit herausgestrichenen Grundsätze schnell und wirksam helfen, den Themenkreis Nachhaltigkeit und damit die Taxonomie zu flankieren - Reduce, Longuse, Reuse und Recycle.

Wir haben nun gesehen: Taxonomie ist im Grunde keine Raketenwissenschaft – neben einem grundsätzlichen Interesse für das Thema Nachhaltigkeit und der Wissenserweiterung genügen ein paar Tage intensiver Auseinandersetzung mit der Materie. Zeit, die sich lohnt, um sich die Grundlagen anzueignen, die erforderlich sind, ein Projekt taxonomiekonform zu entwickeln, planen, bauen und betreiben. Diese werden für praktisch alle Projekte in der Zukunft relevant sein.


                                                                                            
[i] Wolfgang J. Koschnik: sinngemäß aus Standardwörterbuch für die Sozialwissenschaften, Bd. 2, München London New York Paris 1993, ISBN 3-598-11080-4
 
 


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